Weiterlesen: Kapitel 4.3a
© ProLitteris, Josef Estermann
4.2 Mortalität, Morbidität und Repression. Der Drogentod und die strafrechtliche Registrierung
4.2.1 Identifikation der Fälle
Die polizeilich registrierten Drogentodesfälle in der Schweiz werden durch das Bundesamt für Polizeiwesen zentral erfaßt und jährlich publiziert. Es bestand die Möglichkeit, anhand von codierten Daten festzustellen, ob einem als Drogentod gemeldeten Todesfall ein Eintrag im Strafregister zugeordnet werden kann. Die beiden Datenquellen sind unabhängig und die zu schätzende Grundpopulation besteht in denjenigen Drogenkonsumierenden, die ein bestimmtes Risiko haben, in Verbindung mit ihrem Drogenkonsum zu sterben oder von Gerichten verurteilt zu werden. Gelegenheitskonsumierende sind in dieser Grundpopulation mit Sicherheit kaum vertreten. Im Rahmen des Kategorienschemas entspricht die zu schätzende Grundpopulation den regelmäßigen, vor allem intravenös Konsumierenden. Allerdings finden sich unter den Drogentoten auch nicht intravenös konsumierende Personen.
Dies dürften jedoch Einzelfälle sein, denn im allgemeinen schätzen die Drogenkonsumierenden das Sterberisiko bei nicht intravenösem Konsum als sehr gering ein, wie die Aussage eines integrierten Gelegenheitskonsumenten belegt: «Und dann hat es mich gedünkt, daß wenn ich es mit der Nase nähme, daß ich das verantworten könne und das ganz sicher im Griff behalten würde. Und das war dann einfach dann auch so» (#4, 5/34-36).
Ein Kokainkonsument beschreibt hingegen eine jener Ausnahmesituationen, bei denen es auch unter nicht intravenös Konsumierenden zu Todesfällen kommen kann: «Ich habe ja immer noch genug Coci gehabt und bin an der Fasnacht gewesen und habe innert kurzer Zeit sehr viel getrunken und als ich nach Hause gekommen bin habe ich gefunden, ich müsse jetzt vor den Augen eines Kollegen, der behauptete, er nähme keine Drogen mehr, müsse ich ein wenig plöffen [aufschneiden] und zeigen, wie ich verschwende, weil ich es ihm nicht abgenommen habe, und habe ein paar Gramm in ein Glas Whisky reingeworfen, das aufgelöst und gesoffen […] Ja und dann bin ich im Spital oben erwacht» (#12, 15/55-16/6, 16). Nach diesem Vorfall, der bezeichnenderweise unter Einfluß weiterer Drogen, nämlich Alkohol, stattgefunden hatte, entschloß er sich, seinen Kokainkonsum einzustellen.
Eine epidemiologische Analyse der Drogentodesfälle der vergangenen Jahre ist am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern durchgeführt worden.1 Leider wurden in dieser Untersuchung Informationen aus dem Strafregister nicht verarbeitet. Die Integration der Daten des Strafregisters geschieht nun an dieser Stelle nach einer Reanalyse der polizeilichregistrierten Drogentodesfälle. Die Definition des Drogentodes durch die Polizei ist allerdings sehr weit und schließt Todesfälle von Drogenkonsumierenden mit ein, die nicht direkt durch illegale Substanzen verursacht wurden, wie beispielsweise Selbsttötung durch Erhängen. Andererseits ist davon auszugehen, daß bei Fehlen sichtbarer Hinweise im Umfeld Drogentodesfälle nicht als solche erkannt werden.
Die Zahl der registrierten Drogentodesfälle selbst ist in einer gewissen Weise abhängig von der Sichtbarkeit der Drogenszene und der verstorbenen auffälligen Drogenkonsumierenden für die Öffentlichkeit und die Institutionen, zumal sie nicht an die allgemeine nach medizinischen Kriterien ausgerichtete Mortalitätsstatistik gemäß ICD2 gekoppelt ist. Dennoch sind die Zahl der registrierten Drogentodesfälle und deren strafrechtliche Registrierung mit großer Sicherheit zu identifizieren, auch wenn Art und Intensität ihrer Erfassung im Zeitverlauf Schwankungen unterliegen. Die Zahl der strafrechtlich erfaßten regelmäßigen Konsumierenden zu bestimmen, ist hingegen keinesfalls unproblematisch.
Das Strafregister gibt keine zuverlässige Auskunft darüber, ob eine registrierte Person schon verstorben ist. Genausowenig läßt sich natürlich feststellen, ob jemand, der vor sieben Jahren wegen Drogenkonsums verurteilt wurde, nach wie vor Drogen konsumiert. Im Rahmen des Kategorienschemas und der biographischen Hinweise auf Kriminalisierungsereignisse kann die Zahl der registrierten Konsumenten genähert werden durch die Zahl derjenigen Personen, die in den vergangenen drei, vier, fünf oder sechs Jahren wegen Konsums verurteilt wurden minus der Zahl derjenigen Personen, die zwischenzeitlich verstorben sind oder den Konsum aufgegeben haben und zu früheren Zeitpunkten verurteilt wurden. Einige Personen, die später als Drogentote identifiziert wurden, sind nicht wegen des Konsums von Drogen, sondern ausschließlich wegen anderer Straftatbeständen verurteilt worden.
Zu analysieren sind die Daten des Jahres 1990. Dieses Jahr bildet die Baseline für die Änderung der institutionellen Reaktion auf die Drogenfrage nach dem Ende des gesundheitspolitischen Primats der späten achtziger Jahre, das unter dem Eindruck der HIV/AIDS-Epidemie stand. Ab 1991 erhöhte sich die Intensität der polizeilichen Verfolgung ebenso wie die Anzahl der Methadonverschreibungen. Auch die Zahl der registrierten Drogentoten erhöhte sich beträchtlich.
T4.2.1: Drogentodesfälle des Jahres 1990 nach Geschlecht und Alter sowie Erfassung im Strafregister.
A) Personen, die als Drogentodesfälle erfaßt wurden, nach Geschlecht und Erfassung im Strafregister überhaupt sowie Altersmittelwerte.
Im Strafregister erfaßt | Im Strafregister nicht erfaßt | Total | |||||||
Geschlecht | N | % | mittl. Alter | N | % | mittl. Alter | N | % | mittl. Alter |
Männer | 164 | 71,9 | 28,36 | 64 | 28,1 | 24,52 | 228 | 80,3 | 27,28 |
Frauen | 25 | 44,6 | 27,68 | 31 | 55,4 | 23,68 | 56 | 19,7 | 25,46 |
Insgesamt | 189 | 66,5 | 28,27 | 95 | 33,5 | 24,24 | 284 | 100,0 | 26,92 |
B) Personen, die als Drogentodesfälle erfaßt wurden, nach Geschlecht und Erfassung im Strafregister wegen Betäubungsmitteldelikten sowie Altersmittelwerte.
Im Strafregister erfaßt | Im Strafregister nicht erfaßt | Total | |||||||
Geschlecht | N | % | mittl. Alter | N | % | mittl. Alter | N | % | mittl. Alter |
Männer | 112 | 49,1 | 28,09 | 116 | 50,9 | 26,50 | 228 | 80,3 | 27,28 |
Frauen | 16 | 28,6 | 26,94 | 40 | 71,4 | 24,88 | 56 | 19,7 | 25,46 |
Insgesamt | 128 | 45,1 | 27,95 | 156 | 54,9 | 26,08 | 284 | 100 | 26,92 |
Der Frauenanteil ist bei den polizeilich registrierten Drogentodesfällen mit 19,6% im Verhältnis zu den Repressionsdaten eher hoch. Von den Heroinkonsumverzeigungen des Jahres 1993 betrafen 17,7% Frauen, 18,3% Frauen waren es im Jahre 1994. Bei den BetmG-Verurteilungen insgesamt betrug der Frauenanteil 15,4% im Jahre 1990, 14,7% im Jahre 1991, 13,8% im Jahre 1992 und 14,6% im Jahre 1993. Der Anteil der strafrechtlich Erfaßten ist bei weiblichen Drogentoten signifikant niedriger als bei männlichen. Auch dies ist ein weiterer Hinweis darauf, daß Frauen gegenüber der polizeilichen Registrierung und vor allem gegenüber der Verurteilung immuner sind als Männer. Daher ist eine Gruppengrößenschätzung mit Vorteil nach Geschlecht getrennt vorzunehmen.
Die Altersstruktur bei den polizeilich registrierten Drogentodesfällen ist mit einem Mittelwert von 26,8 Jahren signifikant verschieden von derjenigen der wegen Drogenkonsums polizeilich erfaßten Personen, deren Altersmittelwert im Jahre 1990 mit 25,4 Jahren mehr als ein Jahr niedriger liegt (Grafik G4.2.1). Dennoch ist dieser Unterschied nicht sehr groß in Anbetracht dessen, daß der Tod doch eher selten gleich zu Beginn der Karriere eintritt, und daß die Repressionsorgane vorgeben, die Konsumierenden ziemlich bald nach deren Beginn erfassen zu können. Der Unterschied zeigt sich bei den zur Zeit ihres Todes durchschnittlich jüngeren Frauen (24,2 gegenüber 25,4 Jahren) genauso wie bei den Männern (25,7 gegenüber 27,2 Jahren). Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, daß die Drogentodesfälle mit einiger Sicherheit aus der gleichen Population stammen wie die durch das Repressionssystem erfassbaren Personen. Die Todesfälle scheinen auch bei Personen mit langdauernder Karriere nicht häufiger zu sein.
G4.2.1: Alter der im Jahre 1990 durch die Polizei registrierten Drogentoten.
Die Altersverteilung der Drogentodesfälle des Jahres 1990 ist flacher als diejenige der polizeilich erfaßten Personen (vgl. die Grafiken G4.3.4A bis E). Dies mag daran liegen, daß einerseits vermehrt Unfälle bei eher jungen, unerfahrenen Drogenkonsumierenden auftreten, die unter Umständen von der Polizei und den Gerichten nicht erfaßt sind, und daß andererseits auch häufig Todesfälle bei älteren, erfahrenen Benutzern mit lang dauernder Karriere auftreten, die sich aktuell der Verhaftung, Anzeige oder Verurteilung zu entziehen wußten. Diese sind wohl schon in früheren Jahren erfaßt worden, standen jedoch zur Zeit ihres Todes kaum mehr unter polizeilicher Beobachtung.
Auf Grundlage dieser Daten erfolgt im anschließenden Kapitel eine Baseline-Schätzung der Zahl der regelmäßigen Drogenkonsumierenden mit einem Schwergewicht auf die intravenös konsumierenden Personen für das Jahr 1990.
4.2.2 Populationsgrößenschätzung aufgrund der Mortalität
Verschiedentlich sind aufgrund von Mortalitätsdaten alleine Prävalenzschätzungen vorgeschlagen worden. Dabei wird der Einfachheit halber der Kehrwert der aus anderen Daten geschätzten Mortalität der Population mit der Anzahl der Drogentodesfälle multipliziert: = n/w. Die Mortalität der Population wird in der Literatur auf 1-2% geschätzt,3 ein Wert, der gemäß den Ergebnissen der nun vorliegenden Untersuchung für schwer abhängige, regelmäßig Heroinkonsumierende eher zu niedrig liegt. Ein Problem besteht darin, daß unklar bleibt, inwieweit die Anzahl der amtlich registrierten Drogentoten tatsächlich ein gültiger Indikator für die Mortalität in der Grundpopulation ist.4
Einen Hinweis auf die Sterbe- beziehungsweise Überlebenswahrscheinlichkeit gibt die Aussage eines seit 17 Jahren regelmäßig Heroin Injizierenden. Befragt über den Verbleib seines langjährigen, auf dieselbe Weise drogenkonsumierenden Bekanntenkreises, sagte er: «Also von diesem Kreis, mit dem ich konsumiert habe, ist eigentlich nicht mehr viel übrig. Eigentlich sind wir nur noch zwei, der Rest fehlt einfach.[…] Im Knast. Ich würde vor allem sagen, im Knast. Tot einer, zwei, zum Teil auch normal. Mit all diesen Therapien. Zwei trinken nicht einmal mehr» (#3, 2/9-11, 15-17).
Die Schätzung erfolgt hier auf Grundlage des einfachen Petersen-Verfahrens mittels Mortalitätsdaten einerseits und Repressionsdaten andererseits. Eine zeitliche Verschiebung liegt nicht vor. Die lokale Abdeckung ist für beide Stichproben gleich, sie bezieht sich auf die ganze Schweiz. Die Modellvoraussetzungen sind erfüllt. Zu schätzen ist sowohl die Gesamtpopulation als auch nach Geschlechtern getrennt für das Jahr 1990. In der Datenbasis der im Strafregister verzeichneten Drogentoten beträgt die durchschnittliche Zeitdauer vom ersten Vermerk im Strafregister bis zum Drogentod etwa fünf Jahre. Die in den letzten drei oder fünf Jahren wegen sogenannter Drogendelikte im Strafregister verzeichneten 10’000 bis 20’000 Personen sind valide Schätzer für die Anzahl der registrierten Personen, die in einer bestimmten Zeitspanne ebenfalls ein deutlich von null abweichendes Risiko haben, zu sterben und als Drogentote registriert zu werden.
Die Daten des Strafregisters werden durch das Bundesamt für Statistik aufgearbeitet. Aus epidemiologischer Sicht liegt ein Problem des Strafregisters darin, daß in dieser Datenbasis keine Information zur konsumierten Substanz vorliegt. Reine Haschischkonsumenten müßten beispielsweise ausgeschlossen werden. Dieser Anteil ist mit etwa 20% in Anschlag zu bringen. Diese Gesamtheit wird als zweite unabhängige Stichprobe zu den Drogentodesfällen in Beziehung gesetzt. Sie ist eine Schätzgröße für die Zahl der im Jahre 1990 lebenden und im Strafregister verzeichneten Konsumierenden von harten, illegalen Drogen.
T4.2.2A: Anzahl der Personen, die in einer bestimmten Zeitspanne wegen Drogenkonsums im Strafregister eingetragen wurden.
Eingetragene Personen und Urteile eines Jahres.
Zeitraum | Männer | Frauen | Insgesamt | Anzahl Verurteilungen |
1984 | 3665 | 740 | 4405 | 4665 |
1985 | 3800 | 712 | 4512 | 4832 |
1986 | 3961 | 779 | 4740 | 5098 |
1987 | 4211 | 882 | 5093 | 5456 |
1988 | 4662 | 853 | 5515 | 5914 |
1989 | 4477 | 817 | 5294 | 5722 |
1990 | 4488 | 814 | 5302 | 5713 |
1991 | 5193 | 928 | 6121 | 6668 |
19925 | 4865 | 823 | 5688 | 6108 |
1993 | 5792 | 1060 | 6852 | 7105 |
1994 | 5680 | 1015 | 6695 | 7262 |
Eingetragene Personen während drei Jahren.
Zeitraum | Männer | Frauen | Insgesamt |
1985-1987 | 10190 | 2011 | 12201 |
1986-1988 | 10928 | 2139 | 13067 |
1987-1989 | 11395 | 2198 | 13593 |
1988-1990 | 11604 | 2133 | 13737 |
1989-1991 | 12029 | 2227 | 14256 |
1990-1992 | 12332 | 2209 | 14541 |
1991-1993 | 13250 | 2392 | 15642 |
1993-1994 | 13550 | 2447 | 15997 |
Eingetragene Personen während fünf Jahren.
Zeitraum | Männer | Frauen | Insgesamt |
1985-1989 | 16191 | 3145 | 19336 |
1986-1990 | 16672 | 3243 | 19915 |
1987-1991 | 17650 | 3388 | 21038 |
1988-1992 | 18190 | 3338 | 21528 |
1989-1993 | 18819 | 3499 | 22318 |
1990-1994 | 19572 | 3616 | 23188 |
Die Entwicklung der Fallzahlen im Strafregister über die Zeit ist im Vergleich zu den Anzeigezahlen moderat. Zwar wächst die Zahl der jährlichen Konsumverurteilungen von 1985 bis 1994 um mehr als fünfzig Prozent, die Zahl der eingetragenen Personen im Fünfjahreszeitraum von 1985-1989 gegenüber 1990-1994 hingegen nur um etwa zwanzig Prozent. Im Vergleich zum stärkeren Anstieg der Zahl der Verfahren ist dies durch eine erhöhte Frequenz der Verfahren zu erklären: Altbekannte Drogenkonsumenten, vor allem Personen, die auch aus anderen Gründen auffällig sind (Verletzung von Verkehrsregeln, Verstöße gegen das Ausländergesetz, kleine Eigentumskriminalität und so weiter) werden in immer kürzeren Abständen mit Verfahren belegt.
Besonders im Bereich der Verbindung von ANAG (Gesetz über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern, kurz Ausländergesetz) und BetmG hat sich in der Schweiz die Fallzahl überproportional erhöht. Seit 1991 ist nicht nur der Druck auf die Drogenkonsumierenden, sondern auch auf die Ausländer gewachsen. So wird in der veröffentlichten und damit öffentlichen Meinung der «dealende Ausländer» zum gut gefüllten Bild.
T4.2.2B: Als Drogentodesfälle gemeldete Personen nach dem Jahr des ersten Strafregistereintrags wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (ohne Kanton Zürich).
Todesjahr | ||||||||||||||
Jahr des ersten Eintrags | 1989 N % | 1990 N % | 1991 N % | 1992 N % | 1993 N % | 1994 N % | 1995 N % | |||||||
Kein Eintrag | 93 | 53 | 111 | 51 | 162 | 56 | 190 | 56 | 134 | 52 | 162 | 52 | 140 | 51 |
Vor 1985 | 22 | 12 | 40 | 18 | 25 | 9 | 22 | 7 | 24 | 9 | 19 | 6 | 17 | 6 |
1985 | 15 | 8 | 12 | 6 | 20 | 7 | 17 | 5 | 12 | 5 | 11 | 4 | 12 | 4 |
1986 | 15 | 8 | 8 | 4 | 14 | 5 | 11 | 3 | 7 | 3 | 15 | 5 | 11 | 4 |
1987 | 13 | 7 | 8 | 4 | 15 | 5 | 10 | 3 | 7 | 3 | 9 | 3 | 11 | 4 |
1988 | 11 | 6 | 13 | 6 | 15 | 5 | 17 | 5 | 8 | 3 | 12 | 4 | 6 | 2 |
1989 | 8 | 5 | 15 | 7 | 15 | 5 | 18 | 5 | 12 | 5 | 10 | 3 | 5 | 2 |
1990 | 11 | 5 | 14 | 5 | 20 | 6 | 13 | 5 | 17 | 6 | 7 | 3 | ||
1991 | 9 | 3 | 21 | 6 | 18 | 7 | 9 | 3 | 8 | 3 | ||||
1992 | 12 | 4 | 17 | 7 | 20 | 7 | 12 | 4 | ||||||
1993 | 7 | 3 | 21 | 7 | 22 | 8 | ||||||||
1994 | 3 | 1 | 22 | 8 | ||||||||||
1995 | 1 | 1 | ||||||||||||
insgesamt | 177 | 218 | 289 | 338 | 259 | 308 | 274 |
T4.2.2C: Als Drogentodesfälle gemeldete Personen nach dem Jahr des ersten Strafregistereintrags unabhängig vom Delikt (ohne Kanton Zürich).
Todesjahr | ||||||||||||||
Jahr des ersten Eintrags | 1989 N % | 1990 N % | 1991 N % | 1992 N % | 1993 N % | 1994 N % | 1995 N % | |||||||
Kein Eintrag | 61 | 34 | 64 | 29 | 99 | 34 | 117 | 35 | 75 | 29 | 99 | 32 | 91 | 33 |
Vor 1985 | 51 | 29 | 65 | 30 | 48 | 17 | 50 | 15 | 44 | 17 | 40 | 13 | 32 | 12 |
1985 | 17 | 10 | 15 | 7 | 30 | 10 | 24 | 7 | 15 | 6 | 19 | 6 | 20 | 7 |
1986 | 15 | 8 | 18 | 8 | 23 | 8 | 21 | 6 | 14 | 5 | 19 | 6 | 14 | 5 |
1987 | 18 | 10 | 21 | 10 | 18 | 6 | 18 | 5 | 13 | 5 | 13 | 4 | 23 | 8 |
1988 | 9 | 5 | 11 | 5 | 23 | 8 | 22 | 7 | 20 | 8 | 19 | 6 | 7 | 3 |
1989 | 6 | 3 | 13 | 6 | 17 | 6 | 26 | 8 | 16 | 6 | 13 | 5 | 8 | 3 |
1990 | 11 | 5 | 22 | 8 | 20 | 6 | 16 | 6 | 21 | 7 | 16 | 6 | ||
1991 | 9 | 3 | 31 | 9 | 21 | 8 | 14 | 5 | 9 | 3 | ||||
1992 | 9 | 3 | 19 | 7 | 26 | 8 | 13 | 5 | ||||||
1993 | 6 | 2 | 21 | 7 | 20 | 7 | ||||||||
1994 | 4 | 1 | 17 | 6 | ||||||||||
1995 | 4 | 2 | ||||||||||||
insgesamt | 177 | 218 | 289 | 338 | 259 | 308 | 274 |
T4.2.2D: Als Drogentodesfälle gemeldete Personen nach dem Jahr des ersten Strafregistereintrags (Kanton Zürich eingeschlossen).
Todesjahr | ||||
Jahr des ersten Eintrags | Eintrag wegen BetmG 1989 1990 | Eintrag überhaupt 1989 1990 | ||
Kein Eintrag | 134 | 156 | 84 | 95 |
Vor 1985 | 29 | 48 | 68 | 77 |
1985 | 18 | 14 | 26 | 17 |
1986 | 19 | 10 | 20 | 22 |
1987 | 18 | 12 | 22 | 29 |
1988 | 16 | 15 | 17 | 15 |
1989 | 13 | 18 | 10 | 17 |
1990 | 11 | 12 | ||
insgesamt | 247 | 284 | 247 | 284 |
Offensichtlich sind die Zeitpunkte des ersten Eintrages breit gestreut und folgen weitgehend einer Gleichverteilung. Die Terminierung des ersten Eintrags vor 1985 ist unsicher, da die Datenquellen für diesen Zeitraum häufig nur das Vorliegen eines Eintrages bestätigen, nicht aber dessen genaues Datum.
Deutlich wird auch, daß unter den bei den Strafverfolgungsbehörden bekannten verstorbenen Personen nicht in erster Linie solche als Drogentodesfälle registriert werden, die erst seit kurzem bekannt sind, sondern in der Regel Personen, die schon vor einiger Zeit kriminalisiert worden sind.
Aus Gründen der Struktur der Datenerhebung und der Datenlage können zur Zeit nur die polizeilich registrierten Drogentodesfälle des Jahres 1990 zum capture-recapture hinzugezogen werden. Ein Grund hierfür liegt darin, daß der Kanton Zürich als einziger Kanton seit 1991 den Bundesbehörden keine individualisierbaren Informationen über Drogentote überläßt. In Anbetracht der umfangreichen gesammelten, nicht anonymen und an viele Dienststellen weitergeleiteten Konsumentendaten befremdet eine solche mit Hinweis auf den Datenschutz betrieben Praxis.
Immerhin läßt sich feststellen, daß die Hälfte der Drogentoten früher mindestens einmal auf Grund des Betäubungsmittelgesetzes im Strafregister eingetragen wurden. Insgesamt zwei Drittel sind im Strafregister verzeichnet. Diese Anteile haben sich zwischen 1989 und 1995 nicht wesentlich verändert. Frauen, die an einer Überdosis oder in Zusammenhang mit Drogengebrauch verstarben und von der Polizei als Drogentote erfaßt wurden, waren bedeutend seltener im Strafregister eingetragen als Männer. Von den 1989 bis 1995 verstorbenen Frauen waren 49% im Strafregister verzeichnet, 38% wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Von den verstorbenen Männern waren 72% im Strafregister verzeichnet, 49% wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Anteil unauffälliger Frauen ist damit auch unter der risikoreich Konsumierenden bedeutend höher als der Anteil unauffälliger Männer.
Tabelle T4.2.2E zeigt zum besseren Überblick den zeitlichen Verlauf der polizeilich registrierten Drogentodesfälle und der AIDS-Todesfälle, die unter ehemaligen oder aktuellen injizierenden Drogenkonsumierenden aufgetreten sind. Die Wahrscheinlichkeit von Doppelzählungen ist gering. Fälle von an einer Überdosis Verstorbenen, die polizeilich als Drogentote registriert und gleichzeitig auch im AIDS-Register aufgenommen wurden, sind jedoch nicht auszuschließen. Hier nicht aufgeführt sind Todesfälle aus anderen Gründen (Hepatitis, Unfälle etc.).
T4.2.2E: Polizeilich registrierte Drogentodesfälle und AIDS-Todesfälle unter ehemaligen oder aktuell injizierenden Drogenkonsumierenden.
Polizeilich6 registriert | AIDS-Todesfälle7 | |||||
Jahr | insgesamt N | Männer % | insgesamt N | Männer N | Männer% | Frauen N |
1982 | 109 | – | 1 | 1 | 100 | 0 |
1983 | 144 | – | 0 | 0 | – | 0 |
1984 | 133 | – | 1 | 1 | 100 | 0 |
1985 | 120 | – | 5 | 3 | 80 | 2 |
1986 | 136 | – | 11 | 9 | 91 | 2 |
1987 | 201 | 73 | 19 | 12 | 63 | 7 |
1988 | 202 | 77 | 79 | 54 | 68 | 25 |
1989 | 246 | 76 | 122 | 86 | 70 | 36 |
1990 | 284 | 80 | 161 | 123 | 76 | 38 |
1991 | 398 | 83 | 175 | 115 | 66 | 60 |
1992 | 419 | 83 | 262 | 182 | 69 | 80 |
1993 | 353 | 81 | 261 | 169 | 65 | 92 |
1994 | 399 | 82 | 292 | 203 | 70 | 89 |
1995 | 361 | 80 |
Auffällig ist der relativ hohe Männeranteil bei den Drogentoten im Vergleich mit den AIDS-Todesfällen unter Drogenkonsumierenden. Während die AIDS-Todesfälle die Belastung der beiden Geschlechter unter den Konsumierenden einigermassen gut abbilden, ist der Männerüberhang bei den Drogentoten in erster Linie auf die Überrepräsentation der Männer im Repressionsbereich zurückzuführen. Möglicherweise sterben die Frauen tatsächlich seltener an einer Überdosis, oder aber der Todesfall wird seltener als Drogentodesfall erkannt.
Die folgenden Tabellen zeigen Gruppengrößenschätzungen der Population mit Risiko, im Todesfall als Drogentote erfaßt zu werden auf Grundlage der im Strafregister erfaßten Personen unter verschiedenen Annahmen. Der Anteil der nicht registrierten Personen unter den Drogentodesfällen wird dabei hochgerechnet auf die Gesamtheit der erfaßten Personen im Strafregister.
Als registriert werden alle Personen betrachtet, die einen Eintrag im Strafregister haben und zwar unabhängig von dem Zeitpunkt des ersten Eintrags. Aufgrund der hohen Wiederverurteilungsraten hatten viele auch einen Eintrag im fraglichen Zeitpunkt oder mindestens ein Verfahren hängig, dessen Ausgang im Strafregister nicht verzeichnet wurde. Aus diesem Grund wird als Basis der Berechnung nicht das Jahr des ersten Eintrags verwendet, sondern der Umstand der Eintragung überhaupt.
T4.2.2F: Gruppengrößenschätzung nach Petersen. Einträge in das Strafregister aufgrund des Betäubungsmittelgesetzes und Drogentodesfälle.
Drei Jahre Beobachtungszeit (1987-1989) ohne Korrektur für Konsumierende anderer Substanzen als Heroin oder Kokain – registrierte Drogentodesfälle des Jahres 1990.
Mit BetmG-Verurteilungen | Drogentodesfälle ja nein | Total | |
registriert | 128 | 13465 | 13593 |
nicht registriert | 156 | (16409) | (16565) |
Total | 284 | (29874) | (30158) |
95% Konfidenzintervall von : 26’222 – 34’095
Fünf Jahre Beobachtungszeit (1985-1989) ohne Korrektur für Konsumierende anderer Substanzen als Heroin oder Kokain – registrierte Drogentodesfälle des Jahres 1990.
Mit BetmG-Verurteilungen | Drogentodesfälle ja nein | Total | |
registriert | 128 | 18961 | 19089 |
nicht registriert | 156 | (23108) | (23264) |
Total | 284 | (42069) | (42353) |
95% Konfidenzintervall von : 36852 – 47’880
Fünf Jahre Beobachtungszeit (1985-1989), Abzug von 20% für Konsumierende von anderen Substanzen als Heroin oder Kokain – registrierte Drogentodesfälle des Jahres 1990.
Mit BetmG-Verurteilungen | Drogentodesfälle ja ein | Total | |
registriert | 128 | 15143 | 15271 |
nicht registriert | 156 | (18455) | (18611) |
Total | 284 | (33598) | (33882) |
95% Konfidenzintervall von : 29’460 – 38’303
Die Werte von variieren auf Grund des Problems, den exakten Umfang der im jeweiligen Zeitraum im Strafregister verzeichneten noch lebenden Personen zuverlässig zu bestimmen. Deren Größenordnung kann zwar angesichts der geringen Varianz der Zahlen der über den Zeitraum von mehreren Jahren registrierten Personen angegeben werden. Dennoch ist eine Schätzung der Gruppengröße mit einer Abweichung in der Größenordnung von deutlich unter 10’000 Individuen nicht möglich. Ein weiterer Grund für die großen Konfidenzintervalle der Schätzung liegt in der kleinen Zahl der polizeilich registrierten Drogentoten.
Beträchtlich unzuverlässiger sind die Ergebnisse bei der einfachen Hochrechnung der Mortalität, wie sie vielfach mangels besseren Datenmaterials vorgenommen wurde.8 Bei der Annahme einer Mortalität von 1, 2, 3 oder 4% lassen sich aufgrund der polizeilich registrierten Drogentodesfälle Gruppengrößen von 28’400, 14’200, 9’467, 7’100 für das Jahr 1990 und 39’900, 19’950, 13’300, 9’975 für das Jahr 1994 schätzen (vgl. Tabelle T4.2.2E). Unter Addition der registrierten AIDS-Mortalität lauten die entsprechenden Werte 44’500, 22’250, 14’833, 11’125 für das Jahr 1990 und 69’100, 34’550, 23’033, 17’275 für das Jahr 1994.
Die Variabilität der Schätzungen ist groß und diese haben nur einen heuristischen Wert, sie sind also unzuverlässig. Eine geschätzte Gruppengröße von 30’000 Personen führt zur Annahme einer polizeilich registrierten Drogenmortalität von 0,95% im Jahre 1990 und von 1,33% im Jahre 1993, unter Addition der AIDS-Mortalität von 1,48% und 2,30%. Zu beachten ist, daß der polizeilich registrierte Drogentod kein optimaler Näherungswert für die Todesfälle unter regelmäßigen aktuell Heroin- oder Kokainkonsumierenden ist.9 Er läßt andere Todesursachen unberücksichtigt.
Diesem Problem ist das vorgestellte capture-recapture Verfahren nicht unterworfen, da es die polizeilich registrierten Todesfälle als Stichprobe aus der Population der Konsumierenden begreift und keine Vollständigkeit bezüglich Todesfällen unter Konsumierenden unterstellt. Von den polizeilich registrierten Drogentodesfällen sind auf den Sterbekarten, die vom Arzt auszufüllen sind, der den Tod festgestellt hat, ungefähr 80% als Todesfälle vermerkt, die mit Drogenkonsum in Zusammenhang gebracht werden könnten. Umgekehrt werden auf der Sterbekarte auch Drogentodesfälle verzeichnet, die der Polizei nicht als solche bekannt sind.
Damit dürfte sich, Todesfälle durch Infektionskrankheiten, Unfälle etc. eingerechnet, die absolute jährliche Sterblichkeit10 der Kernpopulation der Drogenkonsumierenden in den neunziger Jahren auf ungefähr 700 belaufen. Dies entspricht einer Mortalität zwischen zwei und drei Prozent. Die Mortalität dreißigjähriger Personen in der Gesamtpopulation beträgt 1 Promille, 0,6 Promille bei Frauen und 1,6 Promille bei Männern.11 Die relative Sterblichkeit der suszeptiblen Konsumierenden ist damit gegenüber der Gesamtpopulation um etwa den Faktor zwanzig erhöht. Signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei suszeptiblen Drogenkonsumierenden sind auf Grundlage der vorhandenen Daten nicht auszumachen. In Anbetracht der deutlich niedrigeren Mortalität von Frauen in den betroffenen Altersgruppen der Schweizer Wohnbevölkerung erhöht die Zugehörigkeit zu der suszeptiblen Population die Sterblichkeit der Frauen mindestens so stark wie diejenige der Männer. Im folgenden sind die Gruppengrößen nach Geschlecht getrennt geschätzt. Dies ist unter Berücksichtigung der größeren Repressionsimmunität von Frauen besonders interessant.
T4.2.2G: Gruppengrößenschätzung nach Petersen. Drogentodesfälle und BetmG-Verurteilungen, nach Geschlecht.
Alle registrierten Männer bei fünf Jahren Beobachtungszeit (1985-1989) und alle registrierten Drogentodesfälle des Jahres 1990 unter Männern, ohne Korrektur für Konsumenten anderer Substanzen als Heroin oder Kokain.
Mit BetmG-Verurteilungen | Drogentodesfälle 1990 ja nein | Total | |
registriert (1985-1989) | 112 | 15869 | 15981 |
nicht registriert | 116 | (16435) | (16551) |
Total | 228 | (32304) | (32532) |
95% Konfidenzintervall von : 28’166 – 36’898
Bei Korrektur von Konsumenten anderer Substanzen von 20%:
Mit BetmG-Verurteilungen | Drogentodesfälle 1990 ja nein | Total | ||
registriert (1985-1989) | 112 | 12673 | 12785 | |
nicht registriert | 116 | (13125) | (13241) | |
Total | 228 | (25798) | (26026) |
95% Konfidenzintervall von : 22’533 – 29’518
Alle registrierten Frauen bei fünf Jahren Beobachtungszeit (1985-1989) und alle registrierten Drogentodesfälle des Jahres 1990 unter Frauen, ohne Korrektur für Konsumentinnen anderer Substanzen als Heroin oder Kokain.
Mit BetmG-Verurteilungen | Drogentodesfälle 1990 ja nein | Total | |
registriert (1985-1989) | 16 | 3092 | 3108 |
nicht registriert | 40 | (7729) | (7769) |
Total | 56 | (10821) | (10877) |
95% Konfidenzintervall von : 6’417 – 15’337
Bei Korrektur von Konsumentinnen anderer Substanzen von 20%:
Mit BetmG-Verurteilungen | Drogentodesfälle 1990 ja nein | Total | ||
registriert (1985-1989) | 16 | 2470 | 2485 | |
nicht registriert | 40 | (6175) | (6215) | |
Total | 56 | (8645) | (8701) |
95% Konfidenzintervall von : 5’131 – 12’262
Wie zu erwarten ist, läßt sich die Gruppengröße von Konsumentinnen mit diesem Verfahren nur innerhalb eines sehr weiten Vertrauensbereichs schätzen. Die Punktschätzer zeigen allerdings eine Relation Männer zu Frauen von drei zu eins. Bei den polizeilich registrierten Drogentodesfällen besteht ein Verhältnis von vier zu eins, bei den AIDS-Todesfällen unter aktuellen oder ehemaligen injizierenden Drogenkonsumierenden von etwas mehr als zwei zu eins. Im Gegensatz dazu steht das Verhältnis Männer zu Frauen im Repressionsbereich fünf zu eins bei den Anzeigen, sechs zu eins bei den Verurteilungen und sogar zehn zu eins bei den Gefängniseinweisungen. Die Relation drei zu eins spiegelt eher das Verhältnis wider, das im medizinischen und im sozialarbeiterischen Bereich zu erwarten ist. Insofern sind auch die hier vorgestellten Schätzgrößen, die gleichzeitig aus dem Gesundheits- und dem Repressionsbereich abgeleitet sind, konsistent mit den Massendaten aus anderen Bereichen.
Da die Repressionsinstanzen über einen Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen, die risikoreich konsumieren, bei Drogentodesfällen auf Basis des Strafregisters keine Informationen haben, ist die unauffällige Population als nicht klein einzuschätzen. Während des Zeitraums 1990 bis 1994 sind insgesamt 36’000 Personen durch die Polizei wegen Heroin- oder Kokainkonsums registriert worden. Dies stützt die Annahme, daß die Zahl der Konsumierenden insgesamt, unregelmäßig Konsumierende eingeschlossen, ohne weiteres mehr als 50’000 betragen kann. Zur Zeit werden jährlich über 25’000 erfaßt. Zu berücksichtigen bleibt, daß auch Ausländer registriert werden.
Die Ergebnisse der Gruppengrößenschätzung im Zusammenhang mit der Mortalität stimmen mit denjenigen aus den polizeilichen Repressionsdaten im Kapitel 4.4 überein.Die in Kapitel 2.3.2 vorgestellte Hypothese über das Verhältnis zwischen Repressions- und Medizinalisierungsimmunität wird bestätigt. Mit verstärkter Repression nimmt der Anteil der medizinalisierten Personen zu. Tatsächlich hat sich die Zahl der Methadonverschreibungen seit 1988 sogar verdreifacht, hingegen die Zahl der Anzeigen nur verdoppelt. Dieser starke Anstieg ist auf die Änderung in der Verschreibungspraxis ab 1991 zurückzuführen, die momentan niederschwellig gehandhabt wird. Zur Zeit sind fast die Hälfte der geschätzten ca. 30’000 aktuellen, regelmäßigen, mitunter abhängigen, harte Opiate konsumierende Personen12 mit Methadon substituiert. Allein im Jahr 1994 wurden 14’500 Personen, also knapp die Hälfte der geschätzten potentiell suszeptiblen Population, wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz auf Grund des Konsums von Heroin oder Kokain polizeilich angezeigt. Die Überlappung der beiden Gruppen dürfte beträchtlich sein, kann aber zur Zeit empirisch nicht dargestellt werden.
Anders sieht es bei den integrierten Konsumierenden des qualitativen Samples aus. Die Wahrscheinlichkeit, im medizinischen Bereich erfaßt zu werden, schätzen diese Personen für sich höher ein als die Gefahr einer Erfassung durch das Repressionssystem. Hier wird deutlich, daß diese Personengruppe den Kontakt zu Institutionen medizinischer Betreuung – wenn überhaupt – aus eigenem Antrieb aufnehmen.
4.2.3 Populationsgrößenschätzung aufgrund der Verbindung mit den qualitativen Ergebnissen
Die mittleren Erfassungswahrscheinlichkeiten w der integrierten Teilnehmer des qualitativen Teils der Untersuchung (vgl. Kap. 3.3) liegen im repressiven Bereich bei 0.11 für die Eigenperzeption einer Erfassung und bei 0.27 für eine Erfassung der Personen der Bezugsgruppe. Für den medizinischen Bereich liegen die Werte für die Inanspruchnahme bei 0.29 für die Eigenperzeption bei 0.26 und für die Bezugsgruppe bei 0.28 (vgl. Tabelle T3.3).
Bei der Zahl der von 1990 bis 1994 als Konsumierende von Heroin oder Kokain in der Schweiz polizeilich angezeigten Personen von 36’000 und einem durchschnittlichen w von 0.39, das die integrierten und nicht integrierten Befragten für ihre Bezugsgruppe angaben, ließe sich ein von 92’000 ermitteln.13 Bei einem w von 0.22, das als Eigenperzeption angegeben wurde, liegt der Wert von sogar bei 164’000. Objektiv angezeigt oder verhaftet wurde im Mittel mit w=0.37, was einem von 78’000 entspricht. Die integrierten Befragten perzipierten für sich selbst eine durchschnittliche Verhaftungs- oder Anzeigewahrscheinlichkeit von w=0.11, woraus sich ein von 327’000 errechnet. Diese äußerst hohen, aber unrealistischen Zahlen lassen zwei Schlüsse zu: Erstens wird die eigene Repressionsimmunität und diejenige ihrer Bezugsgruppe vor allem durch die integrierten Befragten sehr hoch eingeschätzt und zweitens ist der Umfang der Population der Repressionsimmunen und der Gelegenheitskonsumierenden wohl kaum kleiner als derjenige der Suszeptiblen.
Bei der Zahl von 6’000 von 1989 bis 1993 wegen Konsums von Betäubungsmitteln insgesamt in den Strafvollzug eingewiesenen Personen und einem durchschnittlichen w von 0.22 für die Bezugsgruppe der integrierten und nicht integrierten Konsumierenden ergibt sich ein von 27’000. Auch die integrierten, selber nicht repressiv erfaßten Befragten geben für ihre Bezugsgruppe ein durchschnittliches w von 0.18 an, woraus sich =33’000 errechnet. Auch die integrierten Konsumierenden schätzen die Wahrscheinlichkeit für die Mitglieder ihrer Bezugsgruppe, eine Gefängnisstrafe absitzen zu müssen, als nicht klein ein. Offensichtlich unterhalten auch sie in der Regel Kontakt zu einem Personenkreis, den sie als durch die Repression gefährdet einschätzen. Diese Gefährdung übertragen sie in ihrer Einschätzung jedoch nicht auf sich selber (w=0.01).
Bei der aktuellen Zahl von Personen in Methadonprogrammen im Jahre 1994 von ungefähr 14’000, einer grob geschätzten kumulierten Zahl von 20’000 behandelten Personen von 1990 bis 1994 und bei einem durchschnittlichen w für medizinische Betreuung von 0.29 beträgt =69’000, bei w=0.26 für Eigenrezeption =77’000 und bei w=0.28 für die Bezugsgruppe =71’000.Die integrierten Mitglieder unseres qualitativen Samples schätzen die Möglichkeit, sich selbst in medizinische Betreuung begeben zu müssen, genau so hoch ein wie für ihre Bezugsgruppe. Die Ausschöpfung der suszeptiblen Population ist im Bereich der Medizin nicht unbedingt niedriger als im Bereich der Repression.
In Anbetracht der für die Motivation im medizinischen Bereich erforderlichen Freiwilligkeit ist die Ausschöpfung der zur Therapie überhaupt heranzuziehenden Population bereits jetzt schon hoch. Die Hälfte der als therapiebedürftig einzuschätzenden Personen, die sich unter Umständen auch therapieren lassen möchten, dürfte schon erreicht sein, vielleicht sogar schon mehr. Mehr als ein Drittel der regelmäßigen, aktuell Konsumierenden ist jedenfalls durch Therapie bereits erreicht. Zu beachten ist, daß auch hier alle Schätzer, die Medizinalisierungs- und Repressionsbereich koppeln, höher als 50’000 liegen. Diese Bezugsgröße enthält mit Sicherheit auch Gelegenheitskonsumierende.
Die aus dem qualitativen Sample abgeleiteten Schätzungen liegen regelmäßig etwa um das doppelte höher als die capture-recapture Schätzungen aus den Massendaten. Dies hängt damit zusammen, daß das qualitative Sample tendenziell auf repressions- und medizinalisierungsimmune Personen ausgerichtet ist, so daß die daraus resultierenden Schätzungen weitere Kreise, insbesondere auch Gelegenheitskonsumierende einschließen. Wegen der Unsicherheit in der Ermittlung der Werte für w sollte diesen Gruppengrößenschätzungen jedoch nur heuristische Bedeutung zugemessen werden. Eine verlässliche Prävalenz läßt sich durch diese Methode nicht angeben.
4.2.4 Populationsgrößenschätzung aufgrund von Überschneidungen mit anderen Untersuchungen
Die Untersuchung «Population cachée»14 ermöglicht einen Einblick in die Population, die sich nicht a priori in institutioneller Betreuung befindet, sei es durch Medizin, Sozialarbeit oder Repression. Diese Untersuchung unterscheidet sich durch den Zugang zur Population von den Resultaten der Daten aus dem medizinischen oder repressiven Bereich.
Die Bezugsgruppe der Schätzung dieser Gruppengröße ist nicht klar definiert. Das eine Sample enthält offensichtlich einen großen Anteil an Personen, die in hohem Grade sowohl gegenüber Medizinalisierung wie auch gegenüber Repression immun sind. Die Stichproben enthalten also Personen, die nicht zu dem inneren Kern der aktuellen, regelmäßigen, mitunter abhängigen Konsumierenden gehören. Gelegenheitskonsumierende sind deshalb durch diese Gruppengrößenschätzung nicht ausgeschlossen. Die Untersuchung «Population cachée» ist explizit auf «verborgene» Konsumierende ausgerichtet und deshalb in diesem Aspekt verzerrt. Dies führt zu einer Überschätzung der suszeptiblen Population. Trotzdem gibt diese Analyse einen weiteren guten Hinweis darauf, daß die Zahl von 50’000 Konsumierenden von harten, illegalen Drogen, nicht abhängige und sporadische Konsumierende eingeschlossen, in der Schweiz erreicht, eventuell sogar übertroffen wird, eine Zahl, die einer gesamtbevölkerungsbezogenen Prävalenz von sieben Promille entspricht.
T4.2.4A: Gruppengrößenschätzung nach Petersen. Personen außerhalb medizinischer Betreuung, nach eigenen Angaben über Verurteilungen mit allen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz registrierten Personen bei fünf Jahren Beobachtungszeit (1989-1993).
Personen außerhalb medizinischer Betreuung | |||
Mit BetmG-Verurteilungen | im Sample | nicht im Sample | Total |
registriert | 182 | 22136 | 22318 |
nicht registriert | 326 | (39649) | (39975) |
Total | 508 | (61785) | (62293) |
95% Konfidenzintervall von : 54915 – 69671
Männer außerhalb medizinischer Betreuung | |||
Mit BetmG-Verurteilungen | im Sample | nicht im Sample | Total |
registriert | 142 | 18677 | 18819 |
nicht registriert | 216 | (28409) | (28625) |
Total | 358 | (47086) | (47444) |
95% Konfidenzintervall von : 41’280 – 53’608
Frauen außerhalb medizinischer Betreuung | |||
Mit BetmG-Verurteilungen | im Sample | nicht im Sample | Total |
registriert | 40 | 3459 | 3499 |
nicht registriert | 110 | (9511) | (9621) |
Total | 150 | (12970) | (13120) |
95% Konfidenzintervall von : 9’611 – 16’630
T4.2.4B: Gruppengrößenschätzung nach Petersen. Personen in medizinischer Betreuung, nach eigenen Angaben über Verurteilungen mit allen wegen BetmG-Verstößen registrierten Personen bei fünf Jahren Beobachtungszeit (1989-1993).
Personen in medizinischer Betreuung | |||
Mit BetmG-Verurteilungen | im Sample | nicht im Sample | Total |
registriert | 169 | 22149 | 22318 |
nicht registriert | 69 | (9042) | (9111) |
Total | 238 | (31191) | (31429) |
95% Konfidenzintervall von : 28’833 – 34’025
Männer in medizinischer Betreuung | |||
Mit BetmG-Verurteilungen | im Sample | nicht im Sample | Total |
registriert | 138 | 18681 | 18819 |
nicht registriert | 48 | (6497) | (6545) |
Total | 186 | (25178) | (25364) |
95% Konfidenzintervall von : 23’178 – 27’550
Frauen in medizinischer Betreuung | |||
Mit BetmG-Verurteilungen | im Sample | nicht im Sample | Total |
registriert | 31 | 3468 | 3499 |
nicht registriert | 21 | (2348) | (2369) |
Total | 52 | (5816) | (5868) |
95% Konfidenzintervall von : 4’550 – 7’187
Die Schätzung aus der Kombination der Personen in medizinischer Betreuung mit den Strafregistereinträgen ist kompatibel mit denjenigen aus den Mortalitätsdaten (Kap. 4.2.2) und mit denjenigen aus den Repressionsdaten im Zeitverlauf (Kap. 4.4). Die Mortalitätsdaten ergeben tendenziell höhere Schätzwerte, Repressionsdaten im Zeitverlauf leicht niedrigere. Ihre Bezugsgröße ist die Zahl der aktuellen, regelmäßigen Konsumierenden, die weder gegenüber der Repression noch gegenüber der medizinischen Betreuung absolut immun sind. Das Geschlechterverhältnis zeigt keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Stichproben und liegt bei vier Männern zu einer Frau. In bezug auf medizinische Betreuung scheint es im Gegensatz zur Repression keine großen Immunitätsunterschiede zwischen Männern und Frauen zu geben.
T4.2.4C: Gruppengrößenschätzung nach Petersen. Alle befragten Personen nach eigenen Angaben über Verurteilungen mit allen wegen BetmG-Verstößen registrierten Personen bei fünf Jahren Beobachtungszeit (1989-1993).
Personen in und außerhalb medizinischer Betreuung | |||
Mit BetmG-Verurteilungen | im Sample | nicht im Sample | Total |
registriert | 351 | 21967 | 22318 |
nicht registriert | 395 | (24720) | (25115) |
Total | 746 | (46687) | (47433) |
95% Konfidenzintervall von : 43’753 – 51’112
Diese Schätzung schließt nur Repressionsimmune aus, eingeschlossen sind hingegen mit Sicherheit auch Personen, die selten und unregelmäßig konsumieren. Die Gruppengrößenschätzung aus Tabelle T4.2.4A liegt höher als diejenige in Tabelle T4.2.4C, weil sie den weitesten Kreis der tendenziell medizinalisierungsimmunen Personen einschließt, während Tabelle T4.2.4C prinzipiell eine höhere Medizinalisierungs- und Repressionssuszeptibilität unterstellt. Tatsächlich dürften bei einem unbeschränktem Einsatz von Mitteln15 im Repressions- und Behandlungsbereich nicht bloß 30’000 aktuelle, regelmäßige Konsumierende, sondern vielleicht sogar 20’000 zusätzliche gelegentlich Konsumierende erreicht werden.
T4.2.4D: Gruppengrößenschätzung nach Petersen. Alle befragten Personen, nach eigenen Angaben über Gefängnisaufenthalt mit allen wegen Betäubungsmittelkonsums in Strafanstalten eingewiesenen Personen bei fünf Jahren Beobachtungszeit (1989-1993).
Personen in und außerhalb medizinischer Betreuung | |||
im Sample | nicht im Sample | Total | |
Gefängnisaufenthalt | 267 | 5590 | 5857 |
kein Gefängnisaufenthalt | 477 | (9986) | (10463) |
Total | 744 | (15576) | (16320) |
95% Konfidenzintervall von : 14’723 – 17’916
Die Verbindung der Stichproben der wegen Betäubungsmittelkonsums verurteilten Gefängnisinsassen und der Personen in und außerhalb medizinischer Betreuung bringt relativ kleine Werte für .16 Die Gruppengröße von 16’000 reflektiert Personen mit einem hohen Risiko für strafrechtliche Verfolgung und anschließende Gefängniseinweisung.17 Bei bloßem Konsum und legaler Beschaffung des Lebensunterhalts kommen solche Fälle nicht sehr häufig vor. Es bleibt in der Regel bei einer Buße oder bei einer Bewährungsstrafe, eventuell mit Anrechnung der Untersuchungshaft oder bei einer strafrechtlichen Maßnahme, die nicht im Gefängnis vollzogen wird. Möglicherweise haben auch einige Personen in dieser Untersuchung die Frage nach einem Gefängnisaufenthalt mit ja beantwortet, die bloß aufgrund einer Verhaftung ein oder zwei Tage in Arrest waren. Immerhin werden zur Zeit in der Schweiz jährlich etwa 2’000 Personen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zum Strafvollzug in ein Gefängnis eingewiesen.
Fussnoten
1 Schick, M.T.; Alberto Y.J.: Epidemiologische Analyse der Drogentodesfälle in der Schweiz 1990-1993. Unter Einbezug der Jahre 1987-1989. Schlußbericht zuhanden des Bundesamtes für Gesundheitswesen. Bern 1994 (unveröffentlicht). Schick, M.T.; Schär, A.; Alberto, Y.J.; Minder, C.E.: Epidemiologische Analyse der Drogentodesfälle in der Schweiz 1987-1989. Schlußbericht zuhanden des Bundesamtes für Gesundheitswesen, Bern 1991.
2 ICD: International Classification of Diseases. Eine deutsche Fassung ist publiziert: Internationale Klassifikation der Krankheiten und Todesursachen (8. Revision). Hrsg.: Eidgenössisches Statistisches Amt, Bern, 1970. Zur Zeit wird die Schweizer Mortalitätstatistik auf ICD 10 umgestellt.
3 Korf et al. a.a.O. 1994, S. 1399
4 Alleine die Zahl der AIDS-Todesfälle bei Personen, die intravenös Heroin oder Kokain konsumiert haben, beträgt seit 1992 mehr als 250 jährlich, im Jahre 1990 waren es erst 160. Unbekannt ist allerdings, ob die betroffenen Personen in ihrem Todesjahr noch aktuelle Konsumenten waren.
5 Der Rückgang der Zahl der Verurteilungen im Jahre 1992 ist auf eine Änderung der Strafregisterverordnung zum 1.1.1992 zurückzuführen. Für die späteren Jahre sind auch noch vereinzelte Nachmeldungen möglich.
6 Die Daten sind strikt nach Jahr des Todes aufgelistet und weichen deshalb von denjenigen ab, die das BAP veröffentlicht hat. Vgl. auch Schick, M.T.; Alberto Y.J.: Epidemiologische Analyse der Drogentodesfälle in der Schweiz, 1990 – 1993, ISPM Bern, Bern, 1994.
7 Stand der Daten: 31.05.1995. Die Daten zu den AIDS-Todesfällen wurde von John W. Paget und Martin Gebhard, BAG mitgeteilt.
8 Dieses Verfahren verwendet das BAG, vgl. Das Drogenproblem im Spiegel der Statistik. Bull. BAG 1995, 29:6-9. Vgl. auch Fahrenkrug et al.: Illegale Drogen in der Schweiz, S.24f.
9 Eine konstante Gruppengröße von 30’000-40’000 wäre entsprechend der Datenlage durchaus mit einer jährlichen Gesamtmortalität von 2-3% kompatibel.
10 Die Begriffe Sterblichkeit und Mortalität sind synonym verwendet und durch die jährliche altersstandardisierte Sterblichkeit ausgedrückt, d.h. der Zahl der in der Altersgruppe Verstorbenen dividiert durch die Zahl der Wohnbevölkerung in der entsprechenden Altersgruppe. Die absolute Sterblichkeit ist ausgedrückt durch die absolute Zahl der in dem entsprechenden Jahr verstorbenen Personen.
11 Spuhler, Thomas: Todesursachenstatistik. Tabellen 1992. Herausgegeben vom Bundesamt für Statistik, Bern 1993.
12 Welcher Kategorie die Methadonsubstituierten ohne Beikonsum zuzurechnen sind, ist umstritten. Es sind zwar keine Konsumierende von illegalen Drogen, aber immerhin abhängige Opiatkonsumierende. Der Beikonsum von Heroin und vor allem von Kokain ist jedoch in dieser Gruppe weit verbreitet. Ebenso problematisch ist die Zuordnung der nun mehr als 500 Personen, die Heroin verschrieben bekommen, denn auch hier handelt es sich nicht um den Konsum einer illegalen Substanz, deren galenische Form sich überdies von der auf der Gasse gehandelten Form unterscheidet.
13 Die Zahl der tatsächlich erfaßten Personen wird dabei jeweils als der perzipierte Anteil an der zu schätzenden Gesamtpopulation interpretiert.
14 Kübler, Daniel; Hausser, Dominique; avec collaboration de Joye, Dominique; Estermann, Josef; Nydegger, Bruno: Consommateurs de drogues hors traitement médical. Rapport intermédiaire. Institut de recherche sur l’environnement construit. Département d’architecture. Ecole polytechnique fédéral de Lausanne, Lausanne 1995.
15 Der unbeschränkte Einsatz könnte beschrieben werden mit einer Erhöhung der Repressionsmittel von 0,5 auf 2 Milliarden Franken und der Medizinalisierungsmittel von 150 Millionen auf 1 Milliarde Franken. Damit wären über 1% des Schweizer Bruttosozialproduktes erreicht. Jeder erwerbstätige Schweizer Bürger würde dann einen Beitrag von fast 1000 Franken pro Jahr alleine für die Drogenrepression erarbeiten, ohne Garantie für irgendeine Wirkung auf Prävalenz und Inzidenz des Drogenkonsums. Mit der laufend aktualisierten Ausgestaltung des Drogenproblems wären dann deutlich mehr als 10’000 Personen beschäftigt, die Medienschaffenden nicht eingerechnet. Zu den Repressionskosten vgl. Estermann: Die Kosten der Drogenrepression, Bundesamt für Statistik (Hrsg.), Bern 1995, S. 6-12, zu den Medizinalisierungskosten vgl. Bernasconi: Ökonomische Ansätze zur Ausgestaltung der Drogenpolitik in der Schweiz. Dissertation St. Gallen 1993, S. 68.
16 Dies mag zum Teil daran liegen, daß die Befragten manchmal auch die häufig mit einer Verhaftung verbundene Nacht in Polizeigewahrsam als Gefängnisaufenthalt bezeichneten.
17 Die Werte für die Stichproben mit Personen in medizinischer Betreuung lauten: m12=130, n1=238, n2=5857, =10722, 9460-11984. Die Werte für die Stichproben mit Personen außerhalb medizinischer Betreuung lauten: m12=137, n1=508, n2=5857, =21717, 18557-24877. ProLitteris